Beschlagnahme der Hausacher Kirchenglocken

Glocken für den Krieg

von Kurt Klein

1942 B01 Bundesarchiv Bild 183 H26751  Hamburg  Glockenlager Im Freihafen

"Diese Glocken wurden von den Nazis während des 2. Weltkrieges beschlagnahmt um sie einzuschmelzen. Man versuchte sie 1947 zu identifizieren und den Kirchen ihr Eigentum zurückzugeben." (Originalbeschreibung Bundesarchiv)

Bereits 1917 drohte den Wegbegleitern des Menschen von der Wiege bis zur Bahre ernste Gefahr, durch die Kriegsereignisse eingeschmolzen zu werden. Doch wegen des "hervorragenden Klangwertes" des Geläutes wurde eine "Befreiungsbescheinigung" ausgestellt. Selbst der bekannte Schwarzwaldmaler Curt Liebich setzte sich für den Verbleib ein. Dafür sollten zwei Glocken der Dorfkirche abtransportiert werden. Wegen des historischen Wertes unterblieb auch für diese die Fahrt zum Schmelzofen.

Dann vergingen Jahrzehnte. Besonders die Ministranten freuten sich, wenn sie hinten im Glockenturm beim Zusammengeläut an den Seilen ziehen durften. Die große Glocke wurde sogar durch drei Buben in Schwung gebracht. Der Zweite Weltkrieg brach aus. Schon 1940 wurden die Bronzeglocken erfasst. Erst 1941 wurde es dann allgemein ernst mit dem Einzug der Kirchenglocken. Der Hausacher Stadtpfarrer Heinrich Brunner baute vor, indem er darauf hinwies, dass die Glocken als Kirchengeläut, für Brandalarm, aber auch als "einzig schlagende Uhr für die Stadt und die Filiale unentbehrlich seien." Selbst der greise Domkapellmeister Schweitzer setzte sich wie bereits 1917 für den Verbleib des "Geläutes von seltenster Klangvollkommenheit" ein. Wegen ihres "kulturhistorischen Wertes" ließ man zunächst die Hand von den Glocken der alten Dorfkirche.

Im Januar 1942 traf dann die Ankündigung zum Abmontieren der vier Stadtglocken ein. Der Stadtpfarrer lenkte zunächst auf die Dorfglocken ab, die ihm weder "künstlerisch noch geschichtlich als wertvoll erschienen". Da die Behörden nicht locker ließen, suchte der Pfarrherr mit dem Stiftungsrat andere Wege zu beschreiten. Brunner scheute sich nicht, selbst an den "Lieben Reichsmarschall" und dessen Gattin zu schreiben. Sogar ein Gedicht von der "Spänle-Agnes" (Schmid) vom Hauserbach mit 12 Versen als "Bitte der Glocken" wurde abgeschickt. Auch suchte man den Weg über die Formulierung, "dass wenigstens an einem Orte des Kinzigtales der siegreiche Friede eingeläutet werden kann."

Da Brunner vermutete, dass der Reichsmarschall Göring nie sein Schreiben erhalten habe, setzte er auf den längeren Arm Seiner Durchlaucht des Fürsten von Fürstenberg als Patronatsherr der Hausacher Kirche. Dieser aber ließ ihn durch seine Kanzlei wissen, dass auch er nicht helfen könne und deshalb "Hausach seine liebgewordenen Glocken im Kampf gegen den Bolschewismus zum Opfer bringt."

Da noch keine Antwort aus Berlin in Hausach eingetroffen war, konnte der Trank aus dem bitteren Kelch noch etwas hinausgezögert werden. Doch mit dem Datum vom 16. Mai 1942 wurde der endgültige Vollzug gemeldet. Auf den Schreckensruf hin: "D'Glocke kumme furt!", wurde noch einmal "ausgeläutet". Den ganzen Tag über rannten die Kinder in die Kirche und zogen an den Seilen und verkündeten auf ihre Art den Abschied der vier Glocken, denen auch zwei aus der Dorfkirche folgen mussten.

Von nun an wimmerte nur noch das kleine St. Sixtglöcklein vom hohen Turm. Dieses wanderte einst beim Verkauf des Klösterleins in die neue Stadtpfarrkirche hinüber und erhob besonders bei Versehgängen sein silbernes Stimmlein. Gleich nach Kriegsende wurde nach dem Verbleib der Glocken geforscht. Während die älteren zwei Glocken der Dorfkirche wieder heimkehren durften, waren ihre städtischen Schwestern in den Schmelztiegeln der unersättlichen Kriegsindustrie versunken und wurden auch nicht mehr aufgefunden.

Text: Kurt Klein / Bild: Bundesarchiv 183-H2675I / Digit.Bearb. Bernd Schmid