Empathie und Hilfsbereitschaft waren Strafvergehen

Zeitzeugen berichten

1941 D01 Postkarte V

Ein polnischer Zivilarbeiter informierte mit dieser Postkarte Angehörige über seine Lebenssituation. Zynischer kann die Sinnlosigkeit von Unterdrückung und Zwang nicht kommentiert werden. 

" Wenn wir vom Hasenfeld kamen, mussten wir natürlich immer am Lager vorbei. Eines Tages hatten wir einen Wagen voll Dickrüben und Weißrüben. Als wir an der Kegelbahn vorbeikamen, machten sich die Russen über die Dickrüben her. Vater machte sie mit einem Handzeichen auf die genussvolleren Weißrüben aufmerksam.

Mich forderte er auf, mit dem Fuhrwerk nicht stehen zu bleiben, sondern langsam weiter zu fahren, um nicht in den Verdacht zu geraten, die Gefangenen bewusst zu unterstützen. 

Wir hatten unser Feld in den Reben. Wenn wir am Abend auf dem Heimweg am Lager vorbei fuhren, warf Vater stets Essbares über den Zaun. Mutter und wir Kinder hatten große Ängste, dass man unseren Vater einsperren könnte. Als Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges ließ er sich jedoch nicht einschüchtern. 

Wie schnell Hilfsbereitschaft zu einer Verurteilung führen konnte, zeigt folgende Aussage: "Ich hatte einem bedauernswerten Gefangenen ein Vesper zugesteckt. Dies wurde wohl beobachtet. Ich wurde angeschwärzt und für das Vergehen zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt". 

Text/Bild: Zeitzeugenbefragung durch die Gruppe "Wider das Vergessen"  
Digitale Bearb. Bernd Schmid