Franz Sengle, NS-Opfer, starb im KZ- Dachau

Franz Sengle im Fadenkreuz der örtlichen NS

Auswirkung der "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" im Laßgrund

Es zeigt sich, dass die Nachfahren vieler NS-Opfer wieder ein gesteigertes Interesse daran haben, dass ein von der NS gepeinigter und zu Tode gequälter Angehöriger seine Rehabilitierung erfährt.

So will die "Online Chronik" in Zusammenarbeit mit der Hausacher Gruppe "Wider das Vergessen" den Lebenslauf eines Menschen darstellen, der auf Grund seiner Herkunft mit andersartigem Dialekt, wegen seiner außerordentlichen Fähigkeiten als Maschinenschlosser und Elektrotechniker, vor allem aber wegen seines unerschrockenen Eintretens für ein Lebenskonzept zum Außenseiter innerhalb der Einbacher Dorfgemeinschaft wurde. 

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Franz Sengle 17.J. (obere Reihe, rechts) mit seiner Familie in Tennenbronn. Bild: E. Armbruster 

Franz Sengle stammte aus einer gut katholischen Familie in Tennenbronn, die dem intelligenten und Sympathie ausstrahlenden Sohn gerne das Studium der Theologie ermöglicht hätte. Statt dessen verlässt er mit 17 Jahren seine Familie, um als Soldat im 1. Weltkrieg zu dienen. Nach schwerer Verwundung und Entlassung setzt er seine besondere Fähigkeit zum Broterwerb ein: Sengle baut Wasserräder und versorgt viele entlegenere Höfe mit "Elektrizität". Er leistete damit Pionierarbeit, die viele Einbacher erstmalig den Segen der aufkommenden Elektrizität in den dunklen Wintermonaten spüren lässt. Seine Dienste waren als Landmaschinentechniker, als Fachmann für Nähmaschinen, als Monteur aller mechanischen Anlagen gefragt.

Franz Sengle war viel unterwegs und lernte so seine viel jüngere Ehefrau Anna im Laßgrund kennen, die mit ihren Eltern aus Oberwolfach, Richard und Pauline Echle geb. Oberfell,  das Einbacher "Gemeindshaus" (heute Naturfreundehaus) bewohnte und bewirtschaftete. Vater Richard stand der neuen NS-Zeit wie viele andere aufgeschlossen gegenüber und betrachtete daher stolz seinen Sohn Ludwig (*1924), der sich in seiner HJ - Uniform zeigte.  (Bild unten)

Die Eltern waren auch  wegen des großen Altersunterschieds des jungen Paares gegen die Ehe ihrer Tochter Anna mit Franz Sengle. Dennoch heirateten die beiden im Mai 1935 dann eben ohne familiäre Unterstützung in der Zeller Wallfahrtskirche mit 2 Padres als Trauzeugen.

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Franz Sengles Ehefrau Anna, mit einem Kind vor dem Elternhaus Laßgrund

Aus der Ehe entstammen die Kinder Karl, Erika, Maria und Hildegard, die ihren Vater nicht mehr kennen lernen durfte. Die Kinder liebten ihren Vater, der ihnen die Natur näher brachte, Rosen züchtete und einen Bienenstand unterhielt. Eine Tochter erinnerte sich daran, wie der Vater  mit ihr dem "Kuckucks"- Ruf folgte, um dann, ganz aus der Nähe, die Lebensweise des scheuen Vogels mit dem eigenartigen Gefieder zu erklären.

Weil Franz Sengle kein Einheimischer war, hat man vermutlich versucht ihm Dinge unterzuschieben, für welche er aber letztlich nicht verurteilt werden konnte, weil er damit einfach nichts zu tun hatte. Was ihn aber in das Fadenkreuz der Nazis gebracht hat, war seine politische Abneigung gegen die Hitler-Vasallen.

Er sagte unter anderem: „Ich werde niemals zulassen, dass sich meine Kinder im BDM (Bund deutscher Mädchen) oder der vergleichbaren Organisation HJ (Hitler-Jugend) engagieren." Diese und andere regimekritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit werden wohl der Grund gewesen sein für die nachfolgende Abstrafung. Ob dabei persönliche Animositäten zu den örtlichen Nazi-Verbindungsleuten in Einbach oder Hausach bestanden, ist nicht mehr festzustellen.

Und es kam, wie es kommen musste, Franz Sengle wurde verhaftet, nach Wolfach in das Gefängnis verbracht, und ohne Verurteilung am 24. August 1940 im Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Auf Nachfrage beim Archiv des KZ Dachau über den Grund der Einlieferung kam folgende Antwort: „Der Grund für die Verfolgung und Inhaftierung geht aus unseren Unterlagen nicht hervor". Es gab also keinen gerichtsverwertbaren Grund für die Inhaftierung und schon gar nicht für eine Einweisung nach Dachau.

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Familie Echle mit ihren Kindern Anna (Enkelkind) und Ludwig (HJ-Uniform). Foto: E. Armbruster

Die unsägliche Rechtsvorschrift, die solche Aktionen möglich machte, hatte Reichspräsident von Hindenburg am 28.2.1933 nach dem Reichstagsbrand als "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" unterzeichnet. Das Ganze nannte sich Schutzhaft. In §1 dieser „Reichsbrandverordnung" heißt es: Es sind „Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief,- Telegrafen- und Fernsprechgeheimnis. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen von Eigentum sind auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten Gesetze zulässig. Die Polizei wurde ermächtigt, politische Gegner ohne gerichtliche Kontrolle unbefristet in „Schutzhaft" zu nehmen. So wurde die „Schutzhaft" eine vorbeugende Polizeimaßnahme zur Ausschaltung der von „staatsfeindlichen Elementen drohenden Gefahren!"

Die SA richtete sofort nach der Reichsbrandverordnung Konzentrationslager zur Durchführung der „Schutzhaft" ein. Am 24. August 1940 wurde Franz Sengle in Dachau als Eingang mit der Häftlingsnummer 23467 registriert. Er wurde am 3. September nach Sachsenhausen verbracht und am 22. Januar 1941 nach Neuengamme.

Franz Sengle starb am 14. August 1941, knapp ein Jahr nach der Einlieferung in Dachau. Eine offizielle Todesursache wurde nicht vermerkt. In Einbach wird verbreitet, Franz Sengle sei an einer Lungenentzündung verstorben.

Die Gruppe "Wider das Vergessen" plant mit dem Einverständnis noch lebender Angehöriger Franz Sengle einen "Stolper- Gedenkstein" zu setzen.

Text u. Recherche: Gruppe "Wider das Vergessen" u. Bernd Schmid / Fotos: E. Armbruster