Kaplan Franz Weinmann - Schutzhaft und KZ-Dachau

"Es war meine Pflicht, zum Verbrechen gegen das fünfte Gebot nicht zu schweigen"

Neben Pfarrer Josef König aus Hausach war ein zweiter in Hausach wirkender Geistlicher Opfer der besonders harten Verfolgung durch das NS-Regime. Der aus Hausach stammende Pfarrrer König gründete 1941 in Nöggenschwiel kirchliche Kindertagesstätten und widersetzte sich damit den Bestimmungen der NS- Volkswohlfahrt. Kaplan Franz Weinmann wirkte zur gleichen Zeit in der Oberen Pfarrei der Mannheimer Jesuitenkirche als Jugendseelsorger. Die NS-Ideologie ließ sich mit den religiös - weltanschaulichen Aussagen der Kirche nicht vereinbaren.

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Franz Weinmann als Kaplan in der Mannheimer Jesuitenkirche 1941

Dienstags traf sich der junge Kaplan Weinmann mit "seiner" Jugend in einer Seitenkapelle zu einer Seelsorgstunde. Er äußerte sich deutlich gegen die nazistischen Jugendorganisationen und die "rosenbergianischen neuheidnischen NS-Bewegungen" In seiner später veröffentlichten Schrift "Heimsuchung-Seelsorgebriefe aus der Verbannung" begründete er seine Themenbereiche mit der erzieherischen Verantwortung bezüglich der Wahrheit und christlichen Ethik: "Ich sprach zu ihnen über Klosteraufhebungen, Priesterverhaftungen, Euthanasie, über das "sogenannte unwerte Leben" Es war meine Pflicht, zum Verbrechen gegen das fünfte Gebot nicht zu schweigen. Die heranwachsende Jugend musste darüber klar unterrichtet werden, die jungen Leute haben das verlangt und von mir erwartet."

Im Oktober 1941 wurde Kaplan Weinmanns kath. Jugendgruppe von der HJ überfallen und mit Schlagstöcken traktiert. Anzeige konnte, wie er schrieb, wegen Sinnlosigkeit und zusätzlicher Gefährdung der Gruppe nicht erstattet werden. Ein "Jungmann aus der Jesuitenschule" St. Blasien wurde von der Gestapo als Spitzel in die Jugendgruppe eingeschleust. Am 16. März 1942 wurde Pfr. Weinmann nach gründlicher Haussuchung und der Beschlagnahmung seiner schriftlichen Vorbereitungen und einiger Feldpostbriefe zur Gestapo-Dienststelle befohlen und nach langem Verhör in Schutzhaft genommen.

Es folgte eine elfwöchige Einzelhaft im Mannheimer Schlossgefängnis, wo er einmal täglich im Gefängnishof mit anderen "Übeltätern" spazierengeführt wurde. Mitte Mai 1942 kam die von Heydrich unterschriebene Verfügung: "Weinmann ist in das Konzentrationslager Dachau zu verbringen."

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Pfarrer Franz Weinmann wurde am 3.4.1945 heimlich vom Salesianerpater Karl Schmidt in der KZ-Plantage Dachau fotografiert.

Noch auf dem Weg nach Dachau erfuhr Weinmann von einem sehr christlich gesinnten Zugführer, dass Heydrich in Prag ermordet worden war. Am 5. Juni 1942, einem Herz-Jesu-Freitag im Herz-Jesu-Monat, erhielt Kaplan Weinmann im Zugangsblock der Dachauer KZ-Anlage, nach den üblichen Zeremonien der Kalt-Heiß-Wasserbehandlung und dem Kahlscheren, seine Häftlings Nr. 30332 mit rotem Winkel (Kennzeichnung der Geistlichen). Er wurde in einer Baracke neben dem Priesterblock in der 3. Bettenetage, knapp unter dem Barackendach eingewiesen. Schon am ersten Tag im KZ widerfuhr dem jungen Kaplan eine völlig unerwartete "Christusbegegnung", die ihn in der Wahrnehmung seiner schutzlosen Gegenwart stärkte: Ein Mitgefangener hatte ihm ein zusammengefaltetes Papierchen mit den Worten "species consecrata" (Hostie- verwandelte Gestalt) gegeben. "Dadurch überkam mich eine Art vertrauensvolle Gewissheit: Du wirst es überstehen, und so will ich denn gläubig vertrauen."

"Am 11. April 1945 wurden 13 Häftlinge zur Entlassung gerufen, unter denen ich mich befand. Was sich in diesem Augenblick der wieder gewonnenen Freiheit in der Seele abspielte, kann ich wohl niemandem beschreiben. Es blieb zeitlebens seelischer Eigenbesitz."

Zwischen 1957 - 1979 war Franz Weinmann Pfarrer und Dekan in Hausach im Kinzigtal in der Pfarrgemeinde St.Mauritius. Er berichtete, dass der junge Mann, der ihn in Mannheim bei der Gestapo angezeigt hatte, ihn nach dem Krieg anlässlich einer Zugreise erkannte und seinen Wirkungsort Hausach ausfindig machte. Der ehemalige Mannheimer "Gestapo Spitzel" habe ihn dann später in der Hausacher Schule aufgesucht. Es sei zu einem Gespräch gekommen, in dem der junge Mann sein Verhalten zutiefst bedauert habe.

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Pfarrer und Dekan Franz Weinmann anlässlich eines Pfarrfestes in Hausach im Jahr 1975

Als einer seiner vielen Schüler, als Ministrant und später als sein Vorsitzender im Hausacher Pfarrgemeinderat erinnere ich mich an Pfarrer Weinmann: Ein liebenswerter, freundlicher und mit reichlich tiefsinnigem Humor ausgestatteter Priester, dessen Großmut und überzeugende Kraft seine angenehme, ausstrahlende Persönlichkeit ausmachten. Dekan Franz Weinmann bleibt den Hausachern durch seine rege kirchliche Bautätigkeit als auch durch seine beispielgebende aufrichtige 22-jährige Seelsorge unvergessen.

Die beiden schrecklichen "Priesterschicksale", die alleine in der kleinen Kirchengemeinde Hausach aktenkundig sind, mögen neben vielen anderen Belegen und Zeugnissen dazu beitragen, die eindeutig schwere Rolle der Kirche in der 12-jährigen NS-Zeit zu belegen. In der Dokumentation "Schicksale katholischer Geistlicher der Erzdiözese Freiburg im Dritten Reich" (siehe Quellen) werden 58 Priester benannt, die aus politischen Gründen schwer bestraft wurden. Pfarrer Josef König war auf Grund des "NS-Heimtückegesetzes" im Gefängnis Waldshut arrestiert, Pfarrer Franz Weinmann war bis Kriegsende Häftling des KZ-Dachau.

Text und digit. Gestaltung: Bernd Schmid
Quellen:
Franz Weinmann, Eine Heimsuchung, Seelsorgebriefe aus der Verbannung, Herausgeber: Stadtdekanat Mannheim von G. Saltin.
Schicksale katholischer Geistlicher der Erzdiözese Freiburg im Dritten Reich, Sonderdruck aus; Freiburger Diözesanarchiv 90, 1970