Neubau des Henkerhauses außerhalb der Stadt
Das neu erbaute Scharfrichterhaus trifft die Einbacher und Wolfacher
114 Wagen- und 69 Handfronen zu 39 Gulden und 13 Kreuzer
Das heute noch bestehende stattliche Wohngbäude Ecke Dietersbach - Meistergasse, heute Meistergasse 23, wurde 1652 außerhalb der Stadtmauern erstellt, weil die jeweiligen Scharfrichter wegen ihrer Tätigkeiten (unehrliches Handwerk) verachtet wurden. In Gasthäusern und in der Dorfkirche mussten sich die Familien deshalb getrennt von der Stadtbevölkerung aufhalten, obwohl man ihre Dienste als Heilkundige reichlich in Anspruch nahm. Auch Ehen waren nur innerhalb der bekannten Scharfrichterfamilien der weiteren Raumschaft möglich.
Seit dem Neubau des Meisterhauses wohnten im Hausacher Scharfrichterhaus bis 1840 Angehörige der Familien Rein, Seidel, Ritter, Reichle, Ostertag, Burkhardt. Das Haus erlebte während dieser Zeit (1552-1840) die Geburt von 36 namentlich bekannten Kindern aus 8 ehelichen Verbindungen.
Michael Rein (Scharfrichter von 1650-1691) verh. mit Anna Catharina Ostertag in erster Ehe und ihren 4 Kindern Georg, Susanna, Philipp und Michael. Der 2. Ehe mit Maria Schmider am 23.10.1675 entstammen die 4 Kinder Johannes, Johannes (2), Francisca und Mathias. Gegen Rein wird während der Bauzeit bei Pfarrer Jakob Dick Klage geführt: "der Scharfrichter communiziert und geht mit anderen ehrlichen Leuten, wenn man zu trinken gibt, trinkt er mit anderen uss einem Glas" (Bischoff, S.113)
Philipp Rein (1691-1702), verh. seit 1680 mit Anna Maria Burkhardt, bewohnte das Meisterhaus mit den 5 Kindern Georg Friedrich, Johannes, Philipp, Anna Maria und Maria Magdalena als "Carnifex" (Einträge in den Kirchenbüchern)
Georg Friedrich Rein (1708-1734), verh. 28.6.1708 mit Maria Barbara Lohr, bewohnte in der 3. Henker-Generation das "Meister- oder Stöckerhaus" mit den 8 Kindern Anna Barbara, Anna Maria, Marianna, Maria Magdalena, Philipp, Maria Eva, Catharina und Johann Jacob.
Maria Eva Furthin aus Oberndorf ehelichte am 10.07.1736 den aus der Oberndorfer Scharfrichterfamilie stammenden Johann Anton Seidel (geb.29.02.1712), der von 1736 bis 1749 das Amt des Carnifex versah. Der Ehe entstammen 5 Kinder: Maria Magdalena, Maria Johanna, Barbara Seidel, Carolus Seidel und Franciscus Seidel.
Nach dem frühen Tod des Gatten Johann Anton ehelichte Maria Eva Seidel (+ 10.02.1762) am 22.06.1750 Joseph Ritter (1750-1768), der Scharfrichter in Engen war. In 2. Ehe heiratet Joseph Ritter die 21 jährige Catharina Decker am 13.10.1762. Im Meisterhaus werden 4 Mädchen geboren: Maria Anna, Maria Rosa, Eleonora, Theresia.
Die junge Witwe (27 J) sorgt für den Fortbestand des Carnifex im Meisterhaus, indem sie nach 3-monatiger Trauerzeit den 18-jährigen Theodor Reichle (1768 - 1776) ehelicht, dessen Vater Scharfrichter in Spaichingen war. Der Ehe entstammen die 5 Kinder Johannes Baptist, Thodorius, Elisabeth, Catharina und Jakob.
In 3. Ehe sorgte Catharina vom Einbacher Deckerhof für den neuen und 7. Scharfrichter im Meisterhaus, indem sie, nun 35 Jahre alt, den 29 Jahre jungen Jakob Seidel (1776-1803) aus Donaueschingen heiratet. Dieser 3. Ehe der Catharina entstammen die Mädchen Magdalena, Maria Agatha und Francisca. Insgesamt sorgte Catharina als Mutter von 9 Mädchen und 3 Jungen für reichen Kindersegen im Meisterhaus. Sie verstarb mit 39 Jahren am 01.03.1780. Nach 2-monatiger Trauerzeit sucht Jakob mit 33 Jahren seine 2. Gattin Ursula (27 Jahre) aus der Oberstdorfer Scharfrichterfamilie Seidel. Im Meisterhaus werden die Mädchen Magdalena, Maria Agatha und Francisca geboren.
Jakob führt das Amt nicht bis zum Lebensende. Er übergibt 1803 das Amt mit 56 Jahren dem Johannes Baptist Seidel (geb. am 26.08.1781) (1803-1806) aus Donaueschingen. Johannes Baptist ehelichte am 21.02 1803 Maria Josepha Seidel aus Oberndorf. Ein Leibgedingvertrag regelt die Benutzung der Räumlichkeiten im Meisterhaus. Johannes hatte auf Georgi und Martini je 40 Gulden zu zahlen. Einige Grundstücke wurden übergeben, die Hausgerätschaften sowie der Viehbestand (1 Pferd, 2 Kühe, 2 Schweine) wurden überlassen. 1806 erlosch die Amtsbefugnis mit dem 8. Scharfrichter im Meisterhaus. Die napoleonischen Kriege hatten die Machtstrukturen auch im Hochgerichtsbezirk Haslach, Hausach, Wolfach und den zugehörigen Stabsgemeinden verändert.
Johannes Baptist war so der letzte Hausacher Scharfrichter. Er stirbt am 03.11.1839, wenige Monate nach seiner Ehefrau Josepha am 20. 06. 1839 als "Wasenmeister" (Abdecker) und Heilkundiger.
1840 wurde das stattliche Haus an den Ziegler Valentin Borho verkauft und ist seither in Privatbesitz und bis in die Gegenwart bewohnt.
Text: Bernd Schmid
Bild: Bernd Schmid
Quellen: Digitalisate der sudbadischen Standesbucher, Kirchenbuch Hausach (Fritz Mayer)