Mannesmann im Zeichen des Aufschwungs

Gastarbeiter und eine neue Produktpalette

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Das Mannesmannwerk um 1955 Foto: Helmut Selter

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Gustav Rivinius, wegen seiner Verdienste um den Industriestandort, Ehrenbürger der Stadt Hausach

Entscheidend geprägt wurde die Phase des Wiederaufbaus durch Direktor Gustav Rivinius, der gute Kontakte zur Mannesmann Konzernspitze pflegte und während des Krieges auch gute Verbindungen zu Wilhelm Zangen hatte. Entscheidend war wohl auch seine freundschaftliche, familiäre Vertrautheit mit dem französischen Zwangsverwalter Pingeon, dessen Enkel oft in Hausach die Sommerferien verbrachten. Im Jahre 1954 kam auch Werner Ricklefs als genialer leitender Ingenieur wieder in das Mannesmannwerk nach Hausach zurück. Er war seitens der Konzernleitung als Nachfolger von Gustav Rivinius vorgesehen.

Trotz vieler Heimatvertriebener und Flüchtlinge gab es Mitte der 50er Jahre kaum noch Fachkräfte. In dieser Zeit war man bei Mannesmann zur konsequenten Rationalisierung gezwungen. Die ersten italienischen Gastarbeiter aus Sizilien (José Amato, Pascale ) kamen nach Hausach, die zunächst im Werk wohnten, sich dann aber schnell integrierten. Die älteste und bekannteste heute noch ansässige Hausacher Familie aus Sizilien waren die Boscias, deren erste Arbeitsstation die Schmiede des Richard Neumayer und die Strohhutfabrik Wolber & Pfaff waren. Giuseppe Boscia beschreibt in seinem Buch "Erzähl mir von dir, Papa " beeindruckend einfühlsam seine Familiengeschichte, vor allem seine persönlichen ersten Versuche der Sprachintergration als 12-jähriger Junge.

 

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Werner Ricklefs, genialer leitender Ingenieur 

Bei Mannesmann gab es neue Produkte. Die Herstellung von Lager- und Batterietanks, die Kesselproduktion, die Herstellung von Kühlcontainern ließ das Werk im Zeichen des Öl-Booms und des wirtschaftlichen Aufschwungs wieder neu erblühen. Die Tanks wurden immer größer: 10 000 - und 100 000 Liter-Tanks verließen das Werk größtenteils per Bahn. Übergroße Behältnisse verließen mit Spezialfahrzeugen und Polizeibegleitung das Werk nachts. Bestellungen gingen in großer Stückzahl ein, die bis zur Fertigstellung des Gesamtauftrages oft auf dem Firmengelände zwischengelagert werden mussten. Ständig wurde erweitert, wurden neue Hallen gebaut. Im Programm waren auch Stahlschränke und Stapelbehälter, Regale für Traktorenteile.

Mit seiner internationalen Erfahrung, auch im Kunststoffbereich, war es Werner Ricklefs, der die von ihm konstruierten Produkte auch selbst verkaufte. Kurz vor der vorgesehenen Übernahme erlitt Werner Ricklefs, der ebenfalls gute Kontakte zur Konzernspitze hatte, einen Herzinfarkt, weshalb man wohl aus Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand von einer Berufung als Direktor Abstand nahm. Sein enormes Wissen setzte er über den Ruhestand hinaus für das Werk in Hausach ein. Als Nachfolger von Gustav Rivinius wurde im Jahre 1964 Direktor Marquard eingesetzt. Er hatte einen Vertrag bei Mannesmann, aber nicht die guten Verbindungen zur Konzernspitze wie Rivinius und Ricklefs.

 

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Neben der Produktion großer Tanks wurden Container aller Art gebaut. 

Zu jener Zeit hatte das Werk rund 600 Beschäftigte. Diese Beschäftigungszahlen waren in der Folge stetig rückläufig.

Im Rahmen der Neustrukturierung von Mannesmann und Thyssen wurde das Hausacher Werk zum Thyssenkonzern eingegliedert. Diese Entwicklung war für Hausach nicht die glücklichste. Die Beschäftigungszahlen gingen bis 1977 auf 320 zurück. Am Tiefpunkt übernahm Willi Schuster die Leitung des Unternehmens in Hausach mit der klaren Vorgabe, das Unternehmen wieder in die Gewinnzone zu führen. Aufgenommen wurden zu dieser Zeit die Glasfaser- und Kunststoffproduktion, zu der ebenso Werner Ricklefs sein Wissen beisteuerte. Der Bedarf an Kühlcontainern war jedoch marktbedingt wechselhaft.

Innerhalb des Thyssenkonzerns gab es viele Veränderungen, die sich in der Folge negativ auf den Standort Hausach auswirkten. Für das Hausacher Werk gab es Verkaufs- oder Schließungsabsichten.

Text/Quellen/Fotos: Helmut Selter Textl./Digit. Bearb. Bernd Schmid
Hinweis Gastarbeiter: Giuseppe Boscia, "Erzähl mir von dir, Papa", Geschichten einer Kindheit zwischen Sizilien und dem Schwarzwald, Drey Verlag 2012