Cölestin Schmieder, Totengräber und Leichenschauer
Als die Toten noch auf der Straße aufgebahrt wurden
Das Hausacher Bestattungswesen lag seit 1936 in Coelestins Händen. Er war der kirchliche und städtische Verantwortliche, der das jeweilige traurige Ereignis in den Familien von der Leichenschau über die wohnortnahe Aufbewahrung bis hin zur Grablegung würdig begleitete. Kaum vorstellbar ist dabei vor allem, dass Coelestin mit Hacke und Schaufel bei jeder Witterung mehr als 1000 Gräber ausheben musste.
Wegen der Enge der Flure und Treppen in den städtischen Häusern wurden die Verstorbenen häufig nicht im Wohnzimmer oder im Schlafzimmer aufgebahrt. Der jeweilige Sargschreiner bettete den Toten vor dem Wohnhaus des Verstorbenen in den Sarg, der dann, der Öffentlichkeit kurze Zeit zugängig, auf der Straße, versehen mit Blumengebinden und Kränzen, aufgestellt wurde.
So konnten Nachbarn, Angehörige und Freunde vom Toten Abschied nehmen. Die von den Angehörigen bestellten Sargträger, meist waren es Nachbarn, Vereinsangehörige oder die Schulkameraden warteten auf den Leichenwagen der Dorners, der den mit Kränzen geschmückte Sarg vom Wohnhaus über die Dietersbachstraße zum Friedhof transportierte,
Hinter dem Sarg stellten sich die Trauernden immer gleich, nach einer nie festgelegten Prozessionsordnung auf. Zuerst ging der Pfarrer, begleitet von Ministranten, es folgten die Familienangehörigen, die Schulkameraden, Vereinsangehörige und die Trauergemeinschaft, die den Abschluss des Leichenzuges bildete. Frauen und Männer gingen dabei getrennt, abwechselnd die Gesetze des "schmerzhaften" Rosenkranzes betend, so wie das in der Kirche und bei den zahlreichen Flur-Prozessionen üblich war.
Mit Leib und Seele versah der damalige Leichenschauer und Totengräber sein Amt mit Würde. Er betreute hauptamtlich den alten Friedhof um die Dorfkirche. In der Jubiläumsschrift "725 Jahre Stadt unter Berg" charakterisierte Kurt Klein "Cölestin Schmieder" als ein unverfälschtes Original, eben als Persönlichkeit.
"Innerlich war er ein Philisoph, der das menschliche Leben von seinem Ende her betrachtete und deshalb das Getriebe der schnellen Welt geringschätzig belächelte. In seinem Herzen wohnte eine tiefe Religion, die sich nicht an Äußerlichkeiten verschwendete, sondern in innerer Beziehung zu seinem göttlichen Herrn und Meister stand, als dessen Diener er sich stets betrachtete. Wie lauteten doch jene Worte die er noch einige Tage vor seinem Tode äußerte?: »Mich ka de Härrgott hole, wänn er will, ich bin griechtet!«
Cölestin in seinem grauweißen Knebelbart hat in über 1000 Fällen seinen wenig beneideten Beistand gewährt. Uber tausendmal hat er in betrübte Augen gesehen, hat Schmerz und Kummer übersehen müssen und hat dort mit der ihm eigenen Wesensart die letzten Dinge dieser Erde geregelt wo Verstand und Geist zerbrechen, wo nur der Glaube noch Trost und Hoffnung gibt.
1065 Gräber schaufelte er aus, schmückte sie und gab das Zeichen, den Sarg zu senken. Wirkte er nicht wie ein Bote aus der anderen Welt, wenn er in seinem schwarzen Talar und dem Käppchen auf dem kahlen Kopfe am Eingang des Friedhofes erschien und den Sargträgern winkte: »Bringe ne!«"
Cölestin Schmieder wurde Opfer eines Verkehrsunfalls. Er folgte den 1000 Mitbürgern, die er würdig und mit Ehrfurcht zum Grab begleitet hatte, im Alter von 71 Jahren. Nach ihm wollte keiner der städtischen Bediensteten des Bauhofs das Amt des verstorbenen Cölestin übernehmen.
Die kommunale Aufgabe der Leichenschau, des Totengräbers und des Friedhofverwalters lagen nicht mehr in einer Hand. Auch die letzte Ruhestätte wurde nicht mehr sorgfältig über Tage hinweg von Hand ausgegraben. Seit 1989 war Hermann Breithaupt für das Richten der Gräber sowie die Betreuung des Friedhofes zuständig. Bis zu seinem Ruhestand im Jahre 2010 bereitete er in 22 Jahren 1218 Hausachern die letzte Ruhestätte. Im Zuge der Neugestaltung des Friedhofes hatte er zahlreiche Umbettungen vorzunehmen.
Tex/ Digit. Gestaltung: Bernd Schmid