Ein Schuljahr ohne Unterricht
Begabtenförderung in Kriegszeiten
Karl Schmider, vom kleinen Vorbeter in der Kirche zum anerkannten Komponisten
Die letzten Kriegsjahre ließen kaum noch einen geordneten Schulunterricht zu. In dieser Zeit, die von allgemeiner Resignation und Hoffnungslosigkeit geprägt war, sorgten sich die Hausacher neben der Sicherung des täglichen materiellen Bedarfs um die Zukunft ihrer Kinder.
An einen geregelten Schulunterricht war schon im Schuljahr 43/44 nicht mehr zu denken. Im Jahr des zu Ende gehenden Krieges war Unterricht kaum mehr möglich. Fast täglich traf in Hausach die Meldung vom Tod eines gefallenen jungen Mitbürgers ein. Insgesamt summierte sich die Zahl der Gefallenen und Vermissten auf 186.
Pf. Ernst Würth mit den Ministranten und Erstkommunikanten vor der Sakristei. Vo.li. erste Reihe: Edmund Meyer, Karl Schmider, Otto Waidele, 2. Reihe: Helmut Sonntag, Emil Schmider, Alfons Sum
Wohl nicht nur wegen der lobenswerten zentralen kirchlichen Anweisung bemühten sich die damaligen Ortsgeistlichen aller Pfarreien um begabte Kinder aus christlichen Familien. So wurde Karl Schmider 1944/45 an Stelle des fehlenden Schulunterrichts von Pfarrer Ernst Würth persönlich auf das staatliche humanistische Heinrich-Suso-Gymnasium in Konstanz vorbereitet. Mit 10 Jahren verließ Karl dann Eltern und 3 Geschwister in der Netterstraße, um von 1946 bis 1954 im erzbischöflichen Gymnasialkonvikt St. Konrad in Konstanz (Konradihaus) erzogen und gebildet zu werden; eine Einrichtung, deren bekanntester Schüler der berühmte Philosoph Martin Heidegger war.
Aus Hausach besuchten der spätere Pallottiner-Pater Ottmar Hiller, der spätere Elzacher Schulrektor und Kirchenmusiker Fritz Moriz und Josef Schmid aus dem Dietersbach, ein Mitarbeiter des Stuttgarter Finanzministeriums, diese ehrwürdige, streng katholische, erzbischöf- liche Einrichtung.
Erich Maier, ehemaliger Hausacher Schulrektor, Ludwig Zeller, der Direktor des Hausacher Gymnasiums, sowie der Hausacher Kaplan und Domkapellmeister zu Freiburg, Raimund Hug, wurden ebenso in Konstanz erzogen und ihrer Begabung entsprechend gefördert
Karl Schmider (grauer Anzug) und die Abiturienten des erzbischöflichen Gymnasialkonvikts Konstanz des Jahres 1954. Prüfungsvorsitzender war der 1. Leiter des Hausacher Gymnasiums, StD Benno Volk.
So wurde der herausragend musikalisch begabte Karl Schmider im Konstanzer Gymnasialkonvikt früh als Kind mit der kirchenmusikalischen Praxis vertraut und erhielt die notwendige Förderung im Klavier- und Orgelunterricht. Als junger Schüler übernahm er solistische Partien in den sonntäglichen Messfeiern und leitete als Schülerassistent viele Chorproben im „Konradihaus“. Seine ersten Kompositions- versuche stammen aus seiner Konstanzer Schulzeit.
Wegen fehlender finanzieller Mittel der Eltern konnte Karl Schmider in den Nachkriegsjahren nicht den Weg eines Musik- oder Gesangstudiums wählen. Er bereitete sich in der pädagogischen Akademie Freiburg auf den Lehrerberuf vor, mit der Aussicht, als Lehrer auch den kirchenmusikalischen Dienst in der künftigen Gemeinde seines Lehrereinsatzes zu übernehmen.
Der Hausacher Karl Schmider als Lehrer und Komponist in Hornberg, Laufenburg und Haslach.
Seine Lehramtstätigkeit versah er so in Hornberg, Laufenburg und Haslach. Die Liebe zur Kirchenmusik prägte sein Leben. Er sang aktiv u.a. im namhaften Münster- und Bach-Chor und schrieb erste eigene Kompositionen für Chor und Orgel, die er über deutsche und österreichische Musikverlage veröffentlichen konnte.
Karl Schmider entwickelte seine musi- kalische Kreativität zunächst autodi- daktisch. Zwischen 1965 und 1970 erlernte er über das Studium in Basel grundlegend das kompositorische Handwerk. Er spürte seine besondere Fähigkeit „aus der Praxis für die Praxis“ zu komponieren.
Sein kirchenmusikalischer Werkskatalog umfasst heute annähernd 150 Titel, überwiegend Chormusik, aber auch geistliche und weltliche Instrumental- kompositionen. Beispielgebend seien genannt die Messen „zu Ehren der Hl. Elisabeth“, „zum Hl. Geist“, die „Sankt-Johannes-Messe“ und die „Deutsche Messe für Chor, Orgel und Bläser“. Der 1981/82 entstandene „27. Psalm“ findet in Fachkreisen höchstes Lob als ein Werk mit „Abwechslungsreichtum, innerer Dramatik und zyklischer Geschlossenheit, das den Interpreten virtuoses Können“ abverlange. Matthias Degott, Bezirkskantor der Ortenau, beschreibt die Werke des Hausacher Künstlers Karl Schmider als Entwicklung von der „nüchternen Strenge der nachkonziliaren Erneuerung zum spielerisch Artistischen.“ Sein Stil gewinne an „musikhistorischer Tiefendimension, ohne dass der Komponist dabei die unverwechselbare persönliche Handschrift preisgebe“.
Neben Liedkantaten „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“, Motetten „Jubelt dem Herrn, alle Lande“ schrieb Karl Schmider ungezählte drei- bis viersätzige Liedsätze. Veröffentlicht sind Instrumentalkompositionen, Orgelstücke, die in Zwölftontechnik geschrieben sind, sowie effektvolle Blechbläserkompositionen und Posaunenchöre wie die „Festliche Bläsermusik in vier Sätzen“. Insgesamt wurden 5 verschiedene Kompositionen im Rundfunk aufgeführt.
Bei aller musikalischen Genialität fühlt sich Karl Schmider seiner Heimat- und Geburtsstadt Hausach verbunden. In seiner bescheidenen Art, die nicht viel Aufhebens um seine Person macht, ist er ein gefragter Kirchenmusiker in den Pfarreien des Mittleren Kinzigtals. Besondere Freude verspürt er, wenn Kompositionen seines umfangreichen künstlerischen Schaffens in seiner Heimatstadt vom Kirchenchor oder dem Kammerorchester zum Lob Gottes interpretiert werden.
Text/Digit. Bearbeitung: Bernd Schmid, Quelle: Matthias Degott: "Ich will dich preisen mein Gott" - Das geistliche Werk des Komponisten Karl Schmider in: "Kirchenmusikalische Mitteilungen für die Erzdiözese Freiburg" Heft 27, Mai 1990